Die Krankheit ist unheilbar. Betroffene leiden sehr unter den Symptomen, die im Laufe der Jahre immer schlimmer werden. Ein neues Netzwerk bietet Parkinson-Patienten jetzt Hilfe.
Mit 58 Jahren hat Gerhard R. (Name geändert) aus Weingarten bemerkt, dass seine rechte Hand gelegentlich zittert. „Anfangs habe ich das dem Stress zugeschrieben“, erinnert sich der frühere Schweißer. Doch nach einigen Monaten fällt seiner Frau auf, dass seine Bewegungen insgesamt langsamer zu werden scheinen.
Das Binden der Schuhe fällt ihm zunehmend schwer, was ihm peinlich ist. „Ich habe mir sogar Turnschuhe mit Klettverschluss gekauft“, sagt der sportbegeisterte Mann. Auch seine Handschrift hat sich verändert – sie ist kleiner geworden und wirkt zittrig. Der Hausarzt überweist ihn an einen Neurologen.
Nervenzellen im Gehirn sterben nach und nach ab
Nach eingehender Untersuchung und einem Datscan, bei dem die Dichte der Dopamin-Transporter in bestimmten Gehirnregionen gemessen wird, steht die Diagnose fest: idiopathisches Parkinson-Syndrom. Gerhard R. ist geschockt. Zwar kennt er die Krankheit dem Namen nach, doch die Tragweite wird ihm erst langsam bewusst.
Der Arzt erklärt, dass es sich um eine chronisch fortschreitende neurologische Erkrankung handelt, bei der Dopamin produzierende Nervenzellen im Gehirn nach und nach absterben. Sie ist unheilbar, und die Symptome werden im Lauf der Jahre schlimmer.
Zunächst lässt sich der Alltag mit Medikamenten aber gut bewältigen. Die Einnahme von Levodopa lindern das Zittern und die Bewegungsverlangsamung deutlich. Gerhard R. bleibt aktiv, macht mit seiner Frau Fahrradtouren nach Bad Waldsee oder an den Bodensee, geht im Baindter Wald spazieren und versucht, sich so normal wie möglich zu verhalten. Doch nach einigen Jahren stellen sich erste Nebenwirkungen ein: Seine Körperteile zucken manchmal. An anderen Tagen wiederum gibt es Zeitfenster, in denen der Körper sich kaum bewegen lässt.
Starre Mimik wird oft fehlgedeutet
Die Mimik von Gerhard R., der mittlerweile in Rente gegangen ist, wirkt starrer als früher, was dazu führt, dass Außenstehende ihn oft als teilnahmslos wahrnehmen. Der heute 70-jährige Weingartener möchte sich manchmal am liebsten aus dem sozialen Leben zurückziehen, wie er sagt. „Aber zum Glück haben wir viele Freunde, die mich aufmuntern, mit denen wir im Sommer grillen oder abends Fußball gucken.“
Mittlerweile hat sich der Rentner auch intensiv mit der Krankheit auseinandergesetzt. Er weiß, dass seine Hände irgendwann zu zittrig zum Schreiben werden, dass er wahrscheinlich Schluckbeschwerden bekommen wird, dass das Risiko für Knochenbrüche steigt.
Ihm ist auch klar: Irgendwann wird er sich vielleicht nicht mehr selbst anziehen oder waschen können. Denn in der letzten Phase der Krankheit sind viele Patienten vollständig pflegebedürftig und müssen künstlich ernährt werden. Doch bis dahin dauert es oft viele Jahrzehnte - und es muss auch nicht so weit kommen. Medikamente und Therapien halten den Krankheitsverlauf oft viele Jahre auf.
Und auch Gerhard R. hofft, dass er noch lange auf fremde Hilfe verzichten kann und dass rechtzeitig ein Medikament gefunden wird, welches Parkinson eines Tages heilen kann. Zum Beispiel läuft gerade eine vielversprechende Phase-III-Studie von „Blue Rock Therapeutics“, einem Tochterunternehmen des Pharmaunternehmens Bayer.
Kooperation von ZfP und Münchener Uni-Klinik
Um Parkinson-Patienten heimatnah optimal versorgen zu können, hat die Neurologische Klinik und Poliklinik des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München ein Netzwerk namens „Parklink“ gegründet. Die Uniklinik arbeitet dabei mit elf Kliniken aus dem Südwesten Deutschlands zusammen, darunter auch der Klinik für Neurologie und Epileptologie des ZfP Südwürttemberg in Ravensburg-Weißenau. Am Samstag, 3. Mai, können sich Patienten und Angehörige dort über die Krankheit und Hilfsangebote informieren.
Das Ziel des Netzwerks ist es, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Parkinson-Syndrom über die telemedizinische Anbindung eines Universitätsklinikums auch in ländlichen Regionen zu verbessern. „Parklink verbindet dabei moderne Parkinson-Therapie mit neuesten Forschungserkenntnissen“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von LMU und ZfP.
Der Vorteil für die Patienten: die unkomplizierte telemedizinische Vorstellung für Fälle, bei denen medikamentöse Behandlungsoptionen nicht ausreichen.
Dr. Christian Tilz
Christian Tilz, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Epileptologie des ZfP Südwürttemberg, freut sich über das Zustandekommen des Kooperationsnetzwerks und erläutert: „Der Vorteil für die Patienten: die unkomplizierte telemedizinische Vorstellung für Fälle, bei denen medikamentöse Behandlungsoptionen nicht ausreichen. Hierbei werden weitere therapeutische Optionen evaluiert, etwa Verfahren der Neurostimulation oder Pumpentherapien. Die weitere Nachsorge nach einem solchen invasiven Eingriff kann dann wieder heimatnah bei uns in Ravensburg erfolgen. Für unsere Klinik stellt die Kooperation einen wesentlichen Bestandteil einer modernen Patientenversorgung nach dem neuesten Stand der Forschung dar.“
Derzeit leben in Deutschland rund 400.000 Menschen mit der Parkinson-Krankheit, Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Auch viele Prominente leiden unter der Nervenkrankheit und haben das publik gemacht: US-Schauspieler Michael J. Fox („Zurück in die Zukunft“ zum Beispiel, Entertainer Frank Elstner und erst im Februar diesen Jahres Stardirigent Daniel Barenboim. Heute ist es möglich, die Symptome wirksam zu lindern. Allerdings: Bei weitem nicht überall besteht für Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, eine spezialisierte Fachabteilung oder Klinik für eine individuelle und hochwertige medizinische Betreuung vor Ort aufzusuchen.
Zugang zu neuen Behandlungsmethoden
Um diese Lücke zu schließen und den Betroffenen eine optimale, heimatnahe Versorgung zu bieten, die gleichzeitig an die Expertise eines Universitätsklinikums angebunden ist, wurde Parklink gegründet. Einheitliche Standards sollen dabei den Zugang zu innovativen Diagnostik- und Behandlungsverfahren ermöglichen. Patienten profitieren darüber hinaus von der Möglichkeit zur Teilnahme an Studien des LMU-Klinikums. Zudem werden ihre Angehörigen durch Schulungen aktiv eingebunden.
Die Behandlung der Parkinson-Erkrankung stellt einen wesentlichen Schwerpunkt der Klinik für Neurologie und Epileptologie des ZfP Südwürttemberg dar. Am Infotag am Samstag, 3. Mai, gibt es zwischen 9.30 Uhr und 13.30 Uhr verschiedene Vorträge, unter anderem zu Physiotherapie, Hilfsmitteln oder tiefer Hirnstimulation. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.