18. epileptologische Weissenauer Wintertagung

WEISSENAU – Auch bei der 18. Wintertagung der Epileptologie standen wieder Diagnostik und Therapie bei Menschen mit zusätzlichen Behinderungen und Epilepsie im Mittelpunkt. Referent:innen widmeten sich in ihren Vorträgen verschiedenen Themen dazu.

 

Trotz einer erheblichen Welle von grippalen Infekten und eines sehr speziellen epileptologischen Themas haben etwa 35 Teilnehmende den Weg zur diesjährigen Wintertagung gefunden.

Thematisch ging es in diesem Jahr um eine Fokussierung auf geistig behinderte Patienten mit einer prominenten Rolle des Dravet-Syndroms. Diese seltene epileptische Encephalopathie beginnt im ersten Lebensjahr mit Anfällen bei erhöhter Körpertemperatur und führt zu einem Entwicklungsknick. Die Behandlung der Epilepsie gestaltet sich häufig schwierig. Das besondere dieses Syndroms ist der genetische Hintergrund mit einer Mutation im SCN1A-Gen, das die Natriumskanäle kodiert. Ein Nachweis dieser Mutation hat erhebliche Konsequenzen für die Therapieführung, da Medikamente die antikonvulsiv über den Natriumskanal wirksam sind, häufig zu einer Verschlechterung der Anfallssituation führen. Bei vielen genetisch bedingten Erkrankungen gibt es eine mehr oder weniger lose Beziehung von Genotyp zu Phänotyp. Umso bemerkenswerter waren die Beispiele von Prof. Dr. Peter Martin, der von den Charakteristika der Dysmorphiezeichen und neurologischen Befunde bei einigen seiner Patienten zu der Verdachtsdiagnose eines Dravet-Syndroms gekommen ist, das man dann molekulargenetisch auch hat belegen können.

In den letzten 20 Jahren hat die humangenetische Diagnostik durch die weiterentwickelten Instrumente in der Gen-Sequenzierung zu einem enormen Fortschritt geführt. Dieser wird künftig erlauben, bei Menschen mit einer Epilepsie und einer geistigen Behinderung aufgrund einer genetischen Veränderung, auf Gemeinsamkeiten bei Verlauf und Therapieführung aufmerksam zu werden. Dr. Pia Zacher hat in ihrem Vortrag allgemeinverständlich den aktuellen Stand der Möglichkeiten einer Humangenetischen Diagnostik umrissen. Die Frage, ob bei einer ungeklärten Ätiologie von Behinderung und Epilepsie die humangenetische Diagnostik zur Basisdiagnostik gehöre, beantwortete sie mit einem klaren Ja.

Gudrun Bungard widmete sich in ihrem Vortrag einer adäquaten Behandlung von psychiatrischen Facetten der Behinderung bei geistig behinderten Menschen. In der Liebenau beschäftigt man sich schon seit vielen Jahren mit einem vertieften Verständnis von Verhaltensbesonderheiten durch Charakterisierung des sozioemotionalen Entwicklungsniveaus und daraus resultierenden Überlegungen einer Milieutherapie.

Abschließend widmete sich Dr. Hartmut Baier der Frage besonderer Anforderungen an eine stationäre epileptologische Behandlung von Menschen mit Intelligenzminderung vor dem Hintergrund der in den letzten 18 Jahren erarbeiteten Expertise in der Abteilung für Epileptologie in Weissenau. Inzwischen konnte in der Abteilung ein Behandlungskonzept erarbeitet werden, das für Menschen mit Intelligenzminderung und erheblichen Verhaltensbesonderheiten trotz suboptimaler Räumlichkeiten eine Epilepsie Behandlung möglich macht, was vor 18 Jahren noch nicht der Fall war.

Die Teilnehmenden der Tagung nutzten die Gelegenheit zu einer intensiven Diskussion nach den einzelnen Vorträgen und hatten Gelegenheit, sich im Anschluss der Tagung bei einem Imbiss miteinander auszutauschen.

Text: Dr. Hartmut Baier, Abteilung Epileptologie

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